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Rhein-Zeitung vom 30.11.2015 

 

Kesselheim erhält keinen Hochwasserschutz

Absage Kosten würden Nutzen übersteigen – Stadt plant Vorsorgekonzept

Von RZ-Mitarbeiterin Annette Hoppen

Kesselheim. Kesselheim wird keinen technischen Hochwasserschutz so wie Lützel, Neuendorf und Wallersheim erhalten. Die schlechte Nachricht hatten Vertreter von Stadt und Land im Rahmen eines Bürgerinformationsabends im Casino des Bürgervereins mit im Gepäck.

Der Grund: Die Höhe der zu erwartenden Schäden bei einer Flut ist zu gering im Vergleich zu den Kosten. Das Land zahlt deshalb keine Zuschüsse. Die Stadt will Kesselheim dennoch nicht im Regen stehen lassen. Im Rahmen des Hochwasserrisikomanagements soll 2016 der Startschuss für ein Hochwasservorsorgekonzept für Kesselheim fallen. Dabei geht es zum Beispiel darum, wie Bürger durch individuelle Schutzvorkehrungen ihr Hab und Gut vor den Rheinfluten schützen können. Dazu können auch Besuche von Fachberatern an Ort und Stelle vereinbart werden. Außerdem soll es verschiedene Workshops geben. In das Vorsorgekonzept einfließen sollen auch Handlungspläne für die am Katastrophenschutz beteiligten Akteure für den Fall eines extremen Hochwassers.

Technisch machbar wäre ein baulicher Hochwasserschutz für den Stadtteil Kesselheim, wie er im benachbarten Wallersheim, in Neuendorf und in Lützel realisiert worden ist: mit einem Mauerbauwerk entlang des Leinpfads und einer mobilen Wand, die bei einem Hochwasser auf dieses aufgesattelt wird. Zudem müsste der Stadtteil Kesselheim in nördlicher Richtung landeinwärts durch einen Deich gesichert werden.

Die Machbarkeitsstudie wurde vom Ingenieurbüro Björnsen erstellt und federführend von Robert Überfeldt betreut. Überfeldt erläuterte, dass bei einem baulichen Hochwasserschutz auch technische Vorkehrungen für eine Binnenentwässerung getroffen werden müssen, die recht kostspielig sind. Denn das Wohngebiet entstehende nicht klärpflichtige Abwasser kann dann nicht mehr einfach über die Kanalisation in den Rhein abgeleitet werden. Die Kanäle müssen geschlossen werden, weil sonst über diese das Hochwasser nach Kesselheim strömen könnte. Stattdessen muss eine zentrale Abwasserleitung gebaut und mit einem Pumpwerk ausgestattet werden. Nicht zuletzt auch deshalb liegen die Kosten für einen baulichen Hochwasserschutz je nach Pegelstand zwischen 15,9 Millionen Euro und 32 Millionen Euro. Bei einem Pegelstand von 9,46 Metern in Andernach liegen die kalkulierten Schäden indes nur bei 12,5 Millionen Euro. Die Kosten-Nutzen-Analyse sei also negativ, weshalb das Land eine solche Maßnahme nicht fördert.

Hinzu kommt die Problematik, dass weite Teile des Überschwemmungsgebiets in Kesselheim im Wasserschutzgebiet und im Einzugsbereich der Brunnen von Rhein-Hunsrück-Wasser und Koblenz-Weißenthurm liegen. Bei einer Abdichtung des Gebietes bis in den Grundwasserbereich hinein sei die Versorgungssicherheit von mehr als 100 000 Haushalten nicht mehr sichergestellt.

Dass ein technischer Hochwasserschutz auch eine trügerische Sicherheit bedeuten könne und oft dazu führt, dass die Menschen die private Hochwasservorsorge vernachlässigen, darauf verwies Ralf Schernikau vom rheinland-pfälzischen Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten mit Verweis auf die Elbkatastrophen von 2002 und 2010. Denn gegen Extremereignisse sei man durch den baulichen Hochwasserschutz nicht gefeit. Das gelte auch für Neuendorf, Lützel und Wallersheim, hier reichen die Schutzmaßnahmen ebenfalls nur bei Pegelständen im Bereich eines sogenannten zehnjährigen Hochwassers, was einem maximalen Pegelstand von 8,75 Meter am Messpunkt Koblenz entspreche.

(Rhein-Zeitung, Lokalausgabe Koblenz vom 30.11.2015)