Kloster Maria Trost
– Architektur- und Baugeschichte –
(Auszug aus der Broschüre Gewerbegebiet Maria Trost der Fa. BCE Björnsen Beratende Ingenieure, Verfasserin Frau Sabine Treptow) März 2012
Gesellschaftliche und pädagogische Strömungen bestimmten über 90 Jahre hinweg das Leben in Maria Trost. Sie spiegeln sich in der regen Bautätigkeit der ersten Jahrzehnte wider und leiteten in den 1960er Jahren den fortschreitenden Niedergang der Klosteranlage ein.
Blick auf den Altar
Bereits drei Monate nach Kauf der ehemaligen Schlossanlage, am 29. November 1888, trafen die ersten Schwestern ein und bezogen die Stallgebäude (31). Die schnell wachsende Gemeinschaft trieb den Klosterausbau voran und schon 1895 war das erste Schwesternhaus bezugsfertig. Am 2. Mai 1906 wurde der Grundstein für eine Kirche und ein viergeschossiges Kloster gelegt, die der Koblenzer Architekt Heinrich Beyerle als massiven Ziegelbau in einfachen leicht gotisierten Formen entworfen hatte (16).
Mitte des 19. Jahrhunderts hatte man in Europa Ziegelstein als industriellen Baustoff wieder entdeckt. Der wirtschaftliche Aufschwung verlangte nach großen Mengen Baumaterial und Ziegelstein ließ sich günstig und schnell beschaffen. Dreißig Jahre später hatte er sich als Baumaterial längst etabliert und wurde, wie im Falle Maria Trost, auch zum Bau von Klöstern verwendet (8).
Die neue Kirche war ideelles Zentrum von Maria Trost und gehörte mit ihrem ungewöhnlichen Grundriss zuden bedeutendsten Kirchenbauten von Rheinland-Pfalz.
Grundriss Kirche mit 4 Kirchenschiffen
Das Presbyterium mit Altar (siehe Abb.: 1) war achteckig angelegt und trug ein schlichtes Sterngewölbe. Daran schlossen sich im Halbrund vier Kirchenschiffe (2) an. Mittels dreieckig gemauerter Zwischenräume (3) schuf Beyerle voneinander separierte Saalkirchen, kreuzrippengewölbt und mit rechteckigem Grundriss, jede mit einem eigenen Eingang und mit einem unverstellten Blick auf den Altar. Zwei Schiffe waren für die Schwestern bestimmt: ln dem einen saßen die Anbetungsschwestern und in dem anderen diejenigen, die sich um die Zöglinge kümmerten. Das dritte Kirchenschiff war für die Zöglinge selbst und das vierte für die Laien bestimmt (16). Angeblich soll die Trennung so weit gegangen sein, dass die schwer erziehbaren Frauen den Gottesdienst nur von der Empore hinter Gittern verfolgen durften, während die „leichteren Fälle“ im Chorraum Platz nahmen (11).
Bis in die 1960er Jahre wuchs das Kloster beständig. 1924 wurde ein Turn- und Spielplatz gebaut und mit dem St. Agnesheim entstand ein Versammlungs- und Erholungsort mit Garten für entlassene, berufstätige Zöglinge. 1927 erwarben die Schwestern von der Familie Kellerschon die zweite Hälfte des Schlossgutes und rich- teten dort ein Schwestern- und Altenheim ein (31).
Ende der 1960er Jahre setzte unter dem Einfluss der Studentenbewegung eine massive Kritik an den Heimen der damaligen Zeit ein. Mit dem Schlagwort „Holt die Kinder aus den Heimen!“ forderte sie eine Reform des Heimwesens und schlug Ersatzfamilien und Kinderdörfer als neue Perspektive vor (6). Die Vorstellung der bürgerlichen Gesellschaft von Erziehung und Moral und was ein „verwahrlostes“ Mädchen überhaupt war, lockerten sich und das Berufsspektrum für Frauen erweiterte sich zusehens.
Damit verlor Maria Trost wie viele andere alt eingesessene Heime langsam an Bedeutung, sowohl als Erziehungsanstalt als auch als Lebens- und Berufsperspektive für Frauen. Wurden zehn Jahre zuvor nochbis zu 400 Zöglinge von etwa 100 Schwestern betreut, war die Zahl der Zöglinge nun auf etwa 60 Mädchen gesunken. 1971 verkleinerte sich das Kloster endgültig zu einem Altenheim für Schwestern und Hauskinder, die nur noch die Gebäude jüngeren Datums bewohnten (16).
1977 lebten hier nur noch fünfundzwanzig Frauen, die von acht Ordensschwestern betreut wurden (43).
Die architektonische Auffächerung war, zusammen mit der Größe der Klosteranlage, sichtbarer Ausdruck des Erziehungskonzeptes des Guten Hirten. Schwestern und Novizinnen waren räumlich getrennt untergebracht, und die Zöglinge hatte man, um die Erziehungsarbeit zu erleichtern, dem Alter und dem „Reifegrad” entsprechend getrennt (19). Dieses System der Trennung, die große Zahl an Schwestern und Zöglingen und die Arbeit inder Wäscherei und Näherei bedingten den hohen Bedarf an Wohn- und Arbeitshäusern, die alle, um möglichst viele Räume zu schaffen, durch einen Mittelkorridor erschlossen wurden (16).
Mitte der 1970er, als nur noch wenige Schwestern das Altenheim bewohnten, standen die Kirche und die übrigen Gebäude bereits leer und wurden zum heimlichen Versammlungsort der Jugendlichen. Vor allem die Kirche war es, die die Jugendlichen magisch anzog. Hier trafen sie sich und feierten nachts Feste.
Literaturverzeichnis:
(31) Scheller, Emil, Dr.: Hundert Jahre Fürsorge an der katholischen weiblichen Jugend, Zur Jahrhundert-Feier der Kongregation Unserer Frau von der Liebe des Guten Hirten 1829 – 1929, S. 82-86, 272.
(16) Linnert, Gabriele Dr.: Das Kloster als Bauaufgabe des 19. Jhd. in Deutschland am Beispiel des „Guten Hirten“. Dissertation, 1988
(8) Custodis, Paul-Georg: Ziegelbauten am Rhein. Eine preußische Sonderform des 19. Jhd. In: Rheinische Heimatpflege, 35. Jg., S. 96-105
(11) Keiffenheim, Martina: Edelhure Nitribitt. Die Rosemarie aus Mendig, Helios-Verlag, 1998
(6) Blandow, Jürgen: Pflegekinder und ihre Familien. Geschichte. Situation und Perspektiven des Pflegekinderwesen, Juventa-Verlag, 2004
(43) Weiler, Familie: Interviews November 2010 und Februar 2011
Abbildungsverzeichnis:
(27) Stadtarchiv Koblenz: Grundstein, Altar
(27) Scheller, E., Dr.: Kirchenschiff (siehe Lit.verz.)
(27) Stadtarchiv Koblenz: Wandgemälde
(27) Treptow, S.: Nachzeichnung Kirchengrundriss, Stadtarchiv Koblenz
(28) Kunstverlag Hans Stroms, M.-Gladbach: Alte Postkarte, Schwesternheim, heute Compugroup Medical AG
(28) Stadtarchiv Koblenz: Altenheim im ehemaligen Flügelbau
(28) Gauls, die Fotografen: Klosterkirche
(28) Stadtarchiv Koblenz: Schwesternhaus mit Gemeindesaal von oben