Das Schloß Schönbornslust

(Quelle: Festschrift 1000 Jahre Kesselheim, 1966)

Im äußersten Südwesten der Kesselheimer Gemarkung erheben sich, imponierend in ihrer Geschlossenheit und Wucht, die Klostergebäude von ,,Maria Trost“.

Viele unserer Mitbürger, die in den letzten Jahrzehnten zu uns gekommen sind. werden nicht wissen, daß an der gleichen Stelle vor 200 Jahren ein kurfürstliches Jagdschloß stand. Wer vermöchte auch zu ahnen, daß diese Stätte weltabgewandter Genügsamkeit, dieser Ort des Ernstes, der Zurückhaltung und Andacht einst strahlender Mittelpunkt höfischen Lebens war.

Anno domini 1734. Kurfürst Franz Georg von Trier aus dem Hause der Grafen von Schönborn steht im 5. Jahr seiner Herrschaft, als er vom Grafen Metternich das in der Nähe von Coblenz gelegene Gut Marienfelder Hof mit ca. 200 Morgen Land erwirbt. Auf dem in der Kesselheimer Gemarkung gelegenen Teil der Ländereien entsteht bald ein Jagdschlößchen mit einer Fasanerie. Hier weilt der Kurfürst mit Freude, um dem Waidwerk nachzugehen und Erholung von den anstrengenden Regierungsgeschäften zu suchen. Die weit und eben sich hinziehenden Felder, durchsetzt mit Hecken und kleinen Waldstückchen, und das Sumpfgelände des Bubenheimer Bachs bieten ideale Möglichkeiten zur Hasen-, Hühner- und Fasanenjagd. Graf Schönborn liebt dieses Land. Seine Liebe zu diesem Ort wird zum Entschluß, im Sommer dem Treiben der Residenzstadt Coblenz zu entfliehen und hier zu wohnen.

So entsteht eine reife und prächtige Schöpfung barocker Baukunst. Balthasar Neumann baut dem Kurfürsten ein Lustschloß, das in seiner wundervollen Linienführung, dem Verhältnis der Maße zueinander, eingebettet in die Unberührtheit der ländlichen Umgebung, ein Bild vollendeter Harmonie bietet. Der aus rotem Sandstein geformte Mittelbau steht in wirkungsvollem Kontrast zu der gelben Fassade der Flügel. Neumanns Schüler Seiz entwirft die Innendekoration und die Bildhauer Ferdinand Tietz und Johann Görg Güntermann wetteifern in der Schaffung des reichen Innen- und Außenschmuckes. Nach Nordwesten umschirmt ein Wäldchen den Schloßbau. Ein gepflegter Rokokopark mit Wasserkünsten lädt zum Verweilen, Beschauen und Staunen ein. Die Orangerie und eine Gartenterrasse runden das Bild.

Im Jahre 1752 zieht Graf Schönborn ein. Dem mit einem Aufwand von 100 000 Talern errichteten Schloß gibt er in freudigem Stolz den Namen Schönbornslust“.

Dem Kurfürsten ist es nur vier Jahre vergönnt, den Sommer hier zu verbringen. Nach seinem Tod folgen Johann Philipp von Walderdorff und 1768 Clemens Wenzeslaus auf den Sitz des geistlichen und weltlichen Herrschers Kurtriers. Er wird der letzte sein.

Im Jahre 1789 bricht in Frankreich die Revolution aus. Die führende Adelsschicht, verhaßt und verfolgt, wird zum Freiwild des Pöbels. Die Unschuldigen trifft es mit den Schuldigen. Was dem rasenden Volk entgeht, flüchtet in die friedlichen Gebiete der Nachbarstaaten. Clemens Wenzeslaus, der Oheim Ludwig XVI, nimmt die Brüder des Königs, den Comte de Provence und den Comte Artois, auf, die mit anderen Emigranten, darunter Minister und Marschälle, und einem Tross von Dienern, Köchen, Jägern und Frauen gepäckbeladen in kostbaren Karossen eintreffen. Der Kurfürst weist ihnen Schönbornslust als Wohnsitz an.

Solchen Glanz hat das Schloß noch nicht erlebt. Man fühlt sich an den Hof von Versailles versetzt. Zwanzig Köche versorgen die Gesellschaft mit den raffiniertesten Gerichten französischer Küche. Das Geräusch zechender Gesellschaften und das Lachen eleganter Frauen dringen über Schloß und Park hinaus.

Im Juli 1792 – die französischen Emigranten haben Schönbornslust bereits verlassen – trifft König Friedrich Wilhelm II. von Preußen ein, um einige Tage hier zu wohnen. Kurze Zeit darauf — das Schloß ist zum Lazarett geworden – hallt in den ausgedehnten Räumen dann das Stöhnen und Klagen verwundeter österreichischer Soldaten wider, ehe sich das Schicksal des Schlosses erfüllt.

Die französische Revolutionsarmee, nach ihrem Sieg bei Fleurus zum Rhein vorgedrungen, greift Coblenz an. Von Weißenthurm kommend, erreichen die Truppen nach Vorhutgefechten am Bubenheimer Berg den Südteil des Coblenz-Neuwieder-Beckens. Schönbornlust liegt einsam und schutzlos. Kein Schuß hemmt die stürmenden Soldaten, die durch den Park in das Schloß eindringen.

Was die verrohten Revolutionstruppen nicht mitnehmen, was der Zerschlagung und Demolierung entgeht, verbrennt in den lodernden Flammen des stolzen Schloßbaues. Im Taumel dar Zerstörungssucht werden selbst der Ehrenhof mit wertvollen Plastiken, die Orangerie und die Wasserkünste des Parks ein Opfer des siegreichen Heeres.

Die Ruinen sind Eigentum des französischen Staates geworden. Nachdem die Bewohner der umliegenden Dörfer sich des noch Brauchbaren bemächtigt haben, wird der Rest abgerissen und eingeebnet. Nur die Stallgebäude stehen zusammenhanglos und ihres Konnexes mit der Umwelt beraubt verlassen in der Nähe des Parks. Am 15. Missiodor XIII verpachtet der napoleonische Staat die Domäne, bestehend aus den umgebauten Wirtschaftsgebäuden, Gutsbesitz und Garten, an Johann Peter Münzel, der die Hälfte des Gutes im Jahre 1806 für 43 500 Franken als Eigentum erwirbt. Die andere Hälfte übernimmt Notar Laymann aus Ehrenbreitstein. Später gehen die Grundstücke und Gebäude dann an den Orden der Schwestern vom Guten Hirten über.