Aktionen der Bürgerinitiative

Abschrift des Briefes an alle Mitglieder des Koblenzer Stadtrates

 

BÜRGER – INITIATIVE - KESSELHEIM

     für ein Kesselheim ohne Zementmahlwerk       GESCHÄFTSSTELLE

                                                                                   Hintermark 26

                                                                                   56070 Koblenz-Kesselheim

                                                                                    Tel.:/Fax: (0261) 8 55 26

                                                                                   www.koblenz-kesselheim.de

   

                                                                                              Koblenz, 23.08.2001

   

Betreff: Zementmahlwerk in Koblenz-Kesselheim

   Sehr geehrter

 die Kesselheimer Bürgerinnen und Bürger wurden mit dem Baubeginn des Zementmahlwerkes im Koblenzer Rheinhafen im Mai d.J. vor vollendete Tatsachen gestellt. Die Stadtverwaltung hat dem Antrag der Firma CEM, Cement Coblenz GmbH & Co. KG, Saffiger Straße 23, Weißenthurm, mit einer Genehmigung zum vorzeitigen Baubeginn und der Genehmigung zur Errichtung der beiden Silotürme entsprochen.

 Die Entscheidungen hierzu ergingen, wie Sie wissen, ohne Beteiligung des Stadtrates und ohne öffentliche Bekanntmachung, d.h. in einem sog. vereinfachten Verfahren.

 Obwohl Bedenken der Bürgerinnen und Bürger zu den befürchteten Immissionen mehrfach vorgetragen wurden, hat bis jetzt niemand von den Verantwortlichen hierzu klärend Stellung genommen. Widersprüche gegen den vorzeitigen Baubeginn seitens der Verbandsgemeinde Vallendar sowie mehrerer Kesselheimer Bürger wurden von der Stadt Koblenz mit dem Verweis auf wirtschaftliche Zwänge der Firma CEM abgehandelt. Es steht zu vermuten, dass hier wirtschaftliche Interessen höher gewichtet werden als die Interessen der Bürgerinnen und Bürger an gesunden Wohn- und Lebensverhältnissen.

 Von einer bürgerfreundlichen und transparenten Stadtpolitik ist dieses Verhalten weit entfernt.

 Das bisherige Vorgehen hat bei den Kesselheimer Bürgerinnen und Bürgern zu einem Vertrauensverlust in eine bürgergerechte Stadtverwaltung geführt. Wir wenden uns deshalb an Sie mit der Bitte, Ihre parlamentarische Kontrollfunktion wahrzunehmen und die Vorgänge um den Bau der Zementmahlanlage im Stadtteil Koblenz-Kesselheim zu überprüfen.

 Wir verweisen insbesondere auf folgendes:

 ·   Das im Bereich der Hafeneinfahrt Rheinhafen auf Kesselheimer Gemarkung befindliche und seit Bestehen des Hafens jetzt erstmalig bebaute Grundstück liegt außerhalb des rechtskräftigen Bebauungsplans ,,Sondergebiet" Hafen, der die Nutzung in einer vom Stadtrat beschlossenen Satzung festlegt. Die Berechtigung, ohne Beteiligung des Stadtrates ein Industrieunternehmen anzusiedeln, leitet der Oberbürgermeister aus § 34 Baugesetzbuch ab. Wir teilen seine Einschätzung dazu nicht. Die Entscheidung über die erstmalige und langfristige Ansiedlung eines produzierenden Industriebetriebes im Koblenzer Rheinhafen hat sowohl mittel- als auch langfristige Auswirkungen auf die künftige Gestaltung des Gebietes und zählt daher zu den originären Aufgaben des Stadtrates.

 ·   Wir verkennen nicht das Bemühen des Oberbürgermeisters zur Erweiterung des Hafenbetrie­bes und zur Schaffung von 10 neuen Arbeitsplätzen. Dieser generelle politische Ansatz zur Industrieansiedlung ist jedoch dann abwägungsschädlich, wenn an anderer Stelle Arbeitsplätze in erheblichem Maße gefährdet werden. So liegt das Zementmahlwerk in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem staubempfindlichen Aluminiumwerk; ein nahegelegenes Papierwerk stellt Artikel der Hygiene her, und schließlich lagern in nur etwas mehr als 100 Metern Entfernung vom Zementmahlwerk Getreide-Notreserven. Wie verträgt sich dies mit einem emitierenden Zementmahlwerk?

 Wir bezweifeln, ob im Sinne einer politischen Abwägung mögliche Einwendungen der Nachbarschaft geprüft und mögliche Auswirkungen einer Gefährdung bewertet wurden.

 Es wäre arbeitsmarktpolitisch kontraproduktiv, wenn die genannten Betriebe ihre Produktion herunterfahren oder gar einstellen müssten, nur damit ein Unternehmen in einem wirtschaftlich fragwürdigen Industriezweig Zement produzieren kann.

 ·   Angesichts der rückläufigen Entwicklung in der Bauwirtschaft geht auch die Zementindustrie davon aus, dass der deutsche Zementmarkt in diesem Jahr um weitere 8 bis 9 Prozent schrumpfen wird (Jahresbericht 2000-2001 des Verbandes der Deutschen Zementindustrie e.V.) Angesichts dieser Prognosen fragen wir uns, inwieweit die Ansiedlung eines Zementproduktionsbetriebes wirtschaftlich sinnvoll ist. Experten rechnen bereits damit, dass sich die CEM als Marktneuling aufgrund des harten Wettbewerbs alteingesessener Unternehmen nicht lange am Markt halten wird. Ein möglicher Konkurs der Firma und eine bleibende Bauruine könnten die Folge sein, es sei denn, die Stadt Koblenz trägt die Kosten für den Abriss der Anlage in Höhe von mehreren Millionen DM.

 Wir fragen uns auch, wie ein mittelständiges Unternehmen eine Anlage, die Aufwendungen von mind. 20-25 Mio. DM erfordert, finanziert. Welches Kreditinstitut stellt einem noch nicht am Markt eingeführten Unternehmen und darüber hinaus im Trend abwärts gerichteten Industriezweig Mittel zur Verfügung? Die Firma CEM hat ihre Bankverbindung bei der Sparkasse Koblenz eingerichtet.

 ·   Schließlich verstößt die Stadtverwaltung nach unserer Einschätzung gegen den ,,Eingliederungsvertrag" mit der früher selbständigen Gemeinde Kesselheim. In Paragraph 25 der einschlägigen Konditionen wurde vereinbart: ,,Die Stadt Koblenz ist bereit,.....die Ansiedlung solcher Betriebe zu vermeiden, von denen unzumutbare Belästigungen ausgehen." Der Bau und Betrieb der Zementmahlanlage stellt für die Kesselheimer Bürgerinnen und Bürger eine solche unzumutbare Belästigung dar. Abweichungen hiervon sind nur durch Beschluß des Stadtrates zulässig, was jedoch offensichtlich nicht geschehen ist.

 ·   Kesselheim wehrt sich gegen den Bau und Betrieb einer im Tag und Nachtbetrieb an sieben Tagen in der Woche arbeitenden Zementmahlanlage mit geplanten 300 Tausend Tonnen Jahresproduktion in ca. 200 m Entfernung von der nächstgelegenen Wohnbebauung und gegen die hiermit einhergehenden Staub- und Lärmimmissionen. Die vorhandene Lärmschutzwand reicht nach Aussage von Experten jetzt schon nicht mehr aus, um den entstehenden Lärm abzuhalten.

 ·   Kesselheim wehrt sich weiterhin dagegen, dass die Zementanlage durch Umklassifizierung von angrenzendem Wohngebiet und Bauerwartungsland in ein industrielles Mischgebiet legitimiert werden soll. Offensichtlich soll damit den zu erwartenden Immissionen des Zementmahlwerkes rechtlich Vorschub geleistet werden. Dabei wird von seiten der Stadtverwaltung so getan, als sei dies alles schon entschieden. Selbst das von der Firma CEM beauftragte Lärmgutachten geht bereits von einem Mischgebiet aus. Der Oberbürgermeister beruft sich fälschlicherweise auf ein rechtskräftiges Urteil des OVG Koblenz vom 4.1.1996. Das Urteil bezieht sich jedoch eindeutig nicht auf das jetzt zur Umklassifizierung vorgesehene Gebiet Kaiser-Otto-Str./Im Sändchen, sondern auf ein Areal in unmittelbarer Nähe zur Containerumschlagstelle. Es ist nach unserer Auffassung Aufgabe des Stadtrates hierüber zu befinden, wie das Gebiet im Rahmen eines aufzustellenden Bebauungsplanes zu qualifizieren ist. Durch die Entscheidung der Stadtverwaltung wird die Entscheidung des Stadtrates zum Bebauungsplan jedoch vorweggenommen.

 ·   Wir halten Oberbürgermeister Dr. Schulte-Wissermann in der Angelegenheit für befangen, da er als Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke Koblenz und damit als Vertragspartner der Firma CEM sich nicht als zuständige Genehmigungsbehörde die Genehmigung selbst erteilen kann. Hier liegt zweifellos eine Interessenkollision vor. Aus den Unterlagen geht hervor, dass der Oberbürgermeister im laufenden Verfahren auf die Verwaltung ,,eingewirkt" hat. Es fällt auf, dass der Oberbürgermeister den Bau der beiden Silotürme nach ihrer Errichtung durch seine persönliche Unterschrift genehmigt hat. Finanzielle Sicherheiten von der Firma CEM, für den Fall eines notwendigen Rückbaus, wurden nach unserem bisherigen Kenntnisstand nicht gefordert.

 Wir sind der Auffassung, dass Sie als Mitglied des Stadtrates anhand der aufgezeigten Punkte mit dieser Angelegenheit befasst werden müssen, zumal die getroffenen und noch zu treffenden Entscheidungen erhebliche finanzielle Auswirkungen auf den Haushalt der Stadt haben könnten.

 Der mehr als tausendjährige Rheinort Kesselheim ist nach der Eingemeindung durch die Stadt Koblenz inzwischen vollständig eingeschlossen durch Industriebebauung und amtlich festgelegte Sperrgebiete; mit dem Zementmahlwerk wird der Ring erneut enger. Uns reicht es!

 Wir bitten Sie eindringlich:

 Nehmen Sie Ihre parlamentarische Kontrollfunktion wahr!

 Stoppen Sie den Weiterbau und die Inbetriebnahme des Zementmahlwerkes!

 Stimmen Sie gegen die Einstufung der genannten Gebiete in ein Mischgebiet!

   

Mit freundlichen Grüßen

 

Die Sprecher der Bürgerinitiative Kesselheim

Sabine Mehlbreuer                  Klaus Daumen                              Peter Hagen

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