Rhein-Zeitung vom 27.10.2001

"Etliche Pannen und Fehler waren programmiert"

Bürgerinitiative Kesselheim nennt Beispiele für "mangelnde Sorgfalt" der Stadt im laufenden Genehmigungsverfahren Zementmahlwerk - Schon lange kein Vertrauen mehr in OB

Von Sorgfaltspflicht könne im laufenden Genehmigungsverfahren Zementmahlwerk von Seiten der Verwaltung keine Rede sein. Sabine Mehlbreuer, Sprecherin der Bürger- Initiative- Kesselheim" glaubt den Beteuerungen von OB Dr. Schulte- Wissermann schon lange nicht mehr. Die BI führt Beispiele gegen die "Behauptungen vom Rathaus" an.

KESSELHEIM. Die Genehmigung der Zementmahlanlage sei bereits im Januar eingeleitet worden. Denn die Stadtwerke hätten mit dem Betreiber einen zehnjährigen Pachtvertrag über die Grundstücksnutzung abgeschlossen, so Mehlbreuer. Die Firma CEM Cement habe dann Verträge zur Lieferung von Zementklinker abgeschlossen. "Niemand schließt langjährige Pacht- und Lieferverträge ab, wenn er nicht sicher mit der Genehmigung des Werkes rechnen kann." Das rieche stark nach Vorabsprachen.

Erst im Februar 2001, d.h. nach Abschluss des Pachtvertrages, habe der Betreiber die Unterlagen zum Bau und zur Genehmigung der Zementmahlanlage eingereicht, im April 2001 sei das Okay für Vorarbeiten gekommen. Die letzte Vorabgenehmigung zur Errichtung der Silos sei im Juni erfolgt. Das Pikante: "Es ist schon vorher ohne Genehmigung gebaut worden", so Mehlbreuer. Trotz zahlreicher Widersprüche der Nachbarschaft sei die Sache durchgezogen worden.

Der von der BI eingeschaltete Rechtsanwalt habe durch Einblick in die Unterlagen festgestellt, dass der OB massiv in das Verfahren eingegriffen habe. Auch die SGD Nord habe noch im Juni 2001 die Antragsunterlagen des Betreibers aus den Akten entfernen und durch neue Unterlagen ersetzen lassen.

"Programmierte Pannen und Fehler": So sei z.B. eines der Silos auf öffentlichem Straßengelände errichtet worden. Die Genehmigung zur Teilerrichtung des Zementmahlwerkes sei damit widerrechtlich. Die BI habe deshalb eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den OB eingelegt. Statt den "illegalen Bau" zu stoppen und das Ergebnis einer "sorgfältigen Prüfung" abzuwarten, lasse der OB weiterbauen und habe versucht, in einer Rats- Sondersitzung dies im Nachhinein formal- juristisch sanktionieren zu lassen.

Hohe Wellen habe die Missachtung der bereits seit längerer Zeit vorliegenden Corus- Bedenken (1250 Arbeitsplätze) in der Öffentlichkeit geschlagen. Das Verschanzen vom OB hinter den gesetzlichen Regelungen der TA Luft sei fadenscheinig. Es gehe hier nämlich nicht um Staubmengen, sondern um die chemische Reaktion zwischen Zement und Aluminium - letztlich jedoch alleine um Arbeitsplätze. Eine sorgfältige Prüfung würde diese Gefährdungen mit berücksichtigen und gegeneinander abwägen.

Erst nach vehementem Protest gegen die Anlage sei ein externes Gutachten in Auftrag gegeben worden. Pikanterweise werde dieses Gutachten vom Betreiber der Anlage beigebracht. Bei einer sorgfältigen Prüfung sollte man ein derartiges Staub- Gutachten vor dem Einstieg in das Genehmigungsverfahren erwarten - und nicht erst am Ende des Verfahrensprozesses. Einsicht in die Expertise sei den betroffenen Anliegern bisher nicht gewährt worden, moniert Mehlbreuer.

Das Ziel der BI bleibt ein lebenswertes Kesselheim ohne Zementmahlwerk. Entweder- oder- Kompromisse könne es in dieser Frage nicht geben. Woran die Betriebsgenehmigung scheitere sei egal. Hauptsache, sie scheitere.

Der OB habe sich in der Sache verrannt. Noch vertraue die BI auf die Selbstreinigungskräfte der Parteien und der Demokratie. Den Bürgern wäre daran gelegen, wenn die politisch Verantwortlichen in diesem Sinne "Sorgfalt" ausübten. Die BI habe sich deshalb bereits Anfang Oktober an den MP Kurt Beck gewandt. (sch)

 Biergarten nein, Mahlwerk ja

Messen mit zweierlei Maß? Der Antrag eines Koblenzer Gastwirts zum Betrieb eines Biergartens in den Rheinauen des Hafenbereiches sei vor einigen Jahren von der Verwaltung abgelehnt worden. Begründung: Der Standort liege in der Nähe zu den Brutgebieten störempfindlicher Vogelarten. Trotz der beteuerten Sorgfalt des OB gelte dieser Grundsatz offensichtlich nicht für das Zementwerk, so Mehlbreuer. Augenscheinlich sei der OB davon überzeugt, dass das Hämmern der Kugelmühle und die zu erwartenden Staubimmissionen den Lebens- und Ruheraum der Tiere nicht beeinträchtigte. (sch)

Bürger fühlt sich in seinen Rechten verletzt

"Durch die erteilte Bau Genehmigung für das Zementmahlwerk werde ich in meinen geschützten Rechten als unmittelbarer Nachbar verletzt. Lärm und Staub beeinträchtigen meine Lebensqualität wesentlich". Hans- Klaus Daumen hat in einem Brief den Präsidenten der Struktur- und Genehmigungsbehörde Nord, Hans- Dieter Gassen, gebeten, zu prüfen, ob der OB in dieser Angelegenheit nicht Verfehlungen begangen habe. Der Kesselheimer weist u.a. darauf hin, dass im Antrag der Zement- Firma der Bauwert mit 1,4 Millionen Mark angegeben sei. Nun werde von bereits ausgegebenen gut 1,3 Millionen Mark gesprochen (RZ berichtete). Liege hier eine Betrugsabsicht vor und habe die Verwaltung hier nicht genau geprüft, fragt Daumen. Auch mögliche Interessenkonflikte des OB spricht der Bürger an. So sei Dr. Schulte- Wissermann in der Verwaltungsratsspitze der Sparkasse, die dem Bauherrn einen Großkredit gewährt habe.(sch)

 

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