Rhein-Zeitung vom 19.03.2002

"Silos ohne Genehmigung gebaut"
CDU: Sie wurde erst später erteilt - Wurde Zementmahlwerk-Akte "stimmig" gemacht? - "Versäumnisse, Ungereimtheiten"

"Das riecht geradezu nach einem Untersuchungsausschuss. Doch den sieht die Gemeindeordnung leider nicht vor." Das sagte Ratsmitglied Eckard Fischer bei einer Pressekonferenz zum Thema Zementmahlwerk Kesselheim. Fazit der CDU nach vierstündiger Einsicht der 1000 Seiten umfassenden Akte: "Versäumnisse und Ungereimtheiten".

 KOBLENZ. 90 Minuten lang Aktenvermerke, Seitenzahlen, Daten, Namen. Nach der Einsicht in die Akte Zementmahlwerk hatten drei Juristen der CDU-Stadtratsfraktion, Anja Dippel-Zehe, Hans-Heinrich Weske und Eckard Fischer, gestern viel zu berichten. Ihrer Auffassung nach sei belegt, "dass die Verwaltung der Vorgang weder sorgfältig noch rechtlich einwandfrei bearbeitet habe". So seien beispielsweise die beiden Silos zuerst ohne ausreichende Genehmigung gebaut, ein erster Baustopp (23. Mai) nicht richtig durchgesetzt und ein erster Widerspruch (23. Mai 2001) offensichtlich erst verspätet zur Kenntnis genommen worden. "Denn sonst hätte der Oberbürgermeister nicht persönlich am 6. Juni den offiziellen Bescheid für die erweiterte Teilgenehmigung erteilen können." Weitere Gründe: Obwohl die Problematik der heute in der Sache strittigen Punkte, wie z.B. mögliche schädliche Auswirkungen des Zementstaubs auf Anwohner und Gewerbetreibende und die Erfordernis der Einbeziehung der für den Bau der Anlage benötigten Straße schon frühzeitig bekannt waren, habe die Verwaltung nicht zeitnah reagiert, sondern dem Betreiber sogar noch Teilbaugenehmigungen erteilt. Selbst nach Kenntnis davon, dass auf dem Gelände ohne Genehmigung und unter Verstoß gegen das Bauordnungsrecht weitere Anlagenteile, wie z.B. die Silos, durch den Bauherrn (CEM) errichtet wurden, habe die Verwaltung den von ihr verfügten Baustopp nicht durchgesetzt.

 Geradezu "ungeheuerlich" sei, dass das Umweltamt nach dem Eingang zahlreicher Widersprüche von Bürgern und Firmen gegen das Bauvorhaben trotz ausdrücklicher Aufforderung der Struktur- und Genehmigungsbehörde Nord (SGDN) die Bauarbeiten nicht sofort eingestellt habe. Ganz im Gegenteil sei das Umweltamt der CEM im wahrsten Sinne des Wortes sogar noch wochenlang "nachgelaufen", um zu erreichen, dass diese die erforderliche schriftliche Begründung hereinreicht, auf Grund derer die aufschiebende Wirkung der Widersprüche dann durch die Verwaltung beseitigt wurde.

 Nachvollziehbar sei aus der Akte auch nicht, warum sich "Oberbürgermeister Dr. Schulte-Wissermann höchstpersönlich" in die Erteilung der Erweiterung der Teilbaugenehmigung eingemischt habe. Eine solche Vorgehensweise ist nach Meinung der drei mit der Akteneinsicht befassten Juristen der CDU-Fraktion mehr als ungewöhnlich. Ohnehin sei in der Akte einiges Ungereimtes zu finden. Es vermittle schon den Verdacht, dass die Akte in Teilen nachträglich "stimmig" gemacht worden sei, da sie eine größere Anzahl von Seiten enthalte, bei denen die ursprünglichen Seitenzahlen verändert wurden. Bemerkenswert sei auch, dass das Umweltamt den endgültigen Genehmigungsentwurf trotz der zu diesem Zeitpunkt bekannten Probleme, z.B. mit der Fa. Corus, sogar noch mit den Anwälten der CEM abgestimmt habe.

 Die Akte belege auch, dass der Rat, bzw. die involvierten Gremien und Ausschüsse, über zahlreiche Entwicklungen und sich abzeichnende Probleme rund um das Zementmahlwerk nur bruchstückhaft bzw. falsch unterrichtet wurden. Hier dränge sich die Frage auf, warum der Oberbürgermeister dies geduldet habe. (mig)