Rhein-Zeitung vom 17.10.2001

 
  "Stadt setzt 1250 Jobs aufs Spiel"
Corus- Chef Buddenbaum: Wir stehen mit dem Rücken zur Wand - Ministerpräsident eingeschaltet - Heftige Kritik am Rathaus

"Das Koblenzer Rathaus ist ein Tollhaus in der Provinz!" Schwere Geschütze fährt Honorarkonsul Gerhard Buddenbaum, Vorsitzender der Geschäftsführung von Corus Aluminium, auf. "Wir stehen mit dem Rücken zur Wand: Wenn das Zementmahlwerk in Betrieb gehen sollte, müssen wir unser Koblenzer Werk schließen. Das kostet 1250 Menschen den Job!"

 Von Peter Burger

KOBLENZ. Der Streit um das Zementmahlwerk am Wallersheimer Hafen, in direkter Nähe zur High- Tech- Aluschmiede des weltweit für seine Qualitätswalzprodukte anerkannten Unternehmens Corus (vormals Hoogovens und Kaiser Aluminium) eskaliert: Jetzt hat Gerhard Buddenbaum, Chef von 6700 Corus- Beschäftigten in Europa und Kanada, Ministerpräsident Kurt Beck eingeschaltet, denn mit Koblenz, seiner Verwaltung und deren Spitze ist Corus nahezu "fertig".

Wie bereits berichtet, sieht das Unternehmen durch den Betrieb des Zementmahlwerkes in unmittelbarer Nachbarschaft die hohen Qualitätsanforderungen an seine Aluminiumprodukte (für Flugzeug-, Raumfahrt- und Autoindustrie) durch emittierten Zementstaub in Gefahr. Untersuchungen belegten zweifelsfrei: "Zementstaub ist tödlich für Aluminium", so Buddenbaum. Die Folgen einer solchen, nicht auf den ersten Blick erkennbaren, Qualitätsminderung könnten katastrophale Auswirkungen haben - im wahren Sinne des Wortes.

"Ist es Ignoranz, Unkenntnis oder totale Unfähigkeit der hiesigen Verwaltung, die die Gefahr offenbar bislang noch immer nicht erkannt hat", fragt sich Buddenbaum, dem "in 38- jähriger Industrielaufbahn ein solches Gebaren noch nicht begegnet ist".

"Tief enttäuscht" zeigt sich der Corus- Manager vom Umgang der Verwaltung mit einem der größten Arbeitgeber am Standort Koblenz (insgesamt 1400 Beschäftigte): "Wir wurden zu keinem Zeitpunkt über das Vorhaben informiert. Das ist vielleicht rein rechtlich nicht zu beanstanden, zeugt jedoch nicht vom richtigen Umgang mit einem Unternehmen, das immerhin seit 1963 am Standort Koblenz 1,2 Milliarden Mark investiert hat." Weitere 37 Millionen Euro sollten demnächst folgen.

Mehr noch: Der Leiter des Amtes für Wirtschaftsförderung, Czielinski, habe, von Buddenbaum auf den Vorgang angesprochen, erklärt, davon selbst erst aus der Zeitung erfahren zu haben. . .

Wie berichtet, hatte zuletzt die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord die Stadt Koblenz angewiesen, das Zementmahlwerk zu genehmigen - und dies in voller Kenntnis der von Corus vorgebrachten Argumente. Die Aufsichtsbehörde stütze sich dabei offenkundig ausschließlich auf die gesetzlichen Bestimmungen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz und der TA Luft und lasse die spezielle Problematik der Auswirkungen von Zementstaub auf Aluminium jedoch völlig außer Acht.

Außerdem: Bislang völlig unberücksichtigt seien die Emissionen bei einem Verladevorgang des Zements außerhalb der eigentlichen Anlage. "Wer haftet denn in diesem Fall - die Stadtwerke etwa?", so der Corus- Chef.

Buddenbaum setzt nun auf Hilfe aus Mainz. Kurt Beck hatte erst vor wenigen Monaten (im Landtagswahlkampf) das Koblenzer Unternehmen besucht. "Irgendjemand wird im Land der Reben und der Rüben doch auch für Industrieunternehmen Interesse zeigen", so der Corus- Geschäftsführer, der auch überregionale Medien für das Thema interessieren will.

"Wir sind jederzeit bereit, nach Mainz zu fahren, um dem Ministerpräsidenten und den zuständigen Ministern alles darzulegen. Und wenn das nicht hilft, gehen wir nach Berlin und kämpfen für den Erhalt unseres Koblenzer Werkes", macht Buddenbaum unmissverständlich deutlich: "Unser Kanzler hat schon andere Unternehmen gerettet, vielleicht auch dieses, das noch nicht einmal marode ist. . ." 

In unmittelbarer Nachbarschaft zum Walzwerk von Corus Aluminium entsteht das umstrittene Zementmahlwerk, dessen Türme im Hintergrund herausragen. Corus fürchtet daher um die Qualität seiner High- Tech- Produkte: "Zementstaub ist für Aluminium tödlich", so Corus- Chef Buddenbaum. Foto: Thomas Frey

 

Kommentar Rhein-Zeitung vom 17.10.2001
Pleiten, Pech und Pannen
Peter Burger zum Verhältnis der Stadt zur Wirtschaft

Es ist eine schallende Ohrfeige, die einer der größten Arbeitgeber von Koblenz der Stadt und ihrer Spitze verpasst. Gerhard Buddenbaum ist ein weiterer Top- Manager, der Tacheles redet über das wahre Verhältnis zwischen Rathaus und Unternehmerschaft. Es ist längst kein Geheimnis: Da gibt es keins! Wie Buddenbaum (Corus), Schmitz (IHK), Fuchs (Impex) oder König (Mercedes) denken viele Unternehmer in Koblenz, ballen dennoch die Faust in der Tasche - und schweigen. Aus Sorge vor noch mehr behördlicher "Ignoranz, Unkenntnis und Unfähigkeit", wie es der Corus- Chef formulierte. Bei dem krampfhaften Griff nach jedem Strohhalm, der Pleiten, Pech und Pannen wie A 61, Ikea oder Zentralplatz wettmachen könnte, greifen die "Macher" der Stadt unterdessen mit untrüglicher Präzision - voll daneben. Der Wirtschaftsstandort Koblenz und dessen "Förderung" verkommen zur Lachnummer. Nach den heftigen, dennoch wenig gehörten Protesten der Kesselheimer Bürger bietet die Corus- Problematik - auch für die Politik - eine zweite Chance, Entscheidungen gegen Jobs und Wohnqualität zu revidieren. Der Verwaltung gibt das Thema einmal mehr Gelegenheit, ihr Verhältnis zu heimischen Unternehmen, die seit Jahrzehnten Tausende von Arbeitsplätze garantieren, zu überdenken und daraus Konsequenzen zu ziehen. Ob`s was nützt?

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