Rhein-Zeitung vom 09.11.2001

Rat behält ein letztes Faustpfand
Zementmahlwerk erhitzt weiter die Gemüter - IHK zieht Auftrag für Sondergutachten zurück -
Entscheidung im Stadtrat vertagt

Ob am Wallersheimer Rheinhafen jemals Zement gemahlen wird, steht weiter in den Sternen. Der Koblenzer Stadtrat gab gestern kein "grünes Licht", eine bislang öffentliche Straße auf dem Firmengelände einzuziehen. Damit hält er das letzte "Faustpfand" in der Hand gegen eine Anlage, die beim Nachbarn Corus Aluminium möglicher Weise 1250 Arbeitsplätze bedroht.

Von Peter Burger

KOBLENZ. Zum Lachen war im Koblenzer Stadtrat niemandem zu Mute. Die Angelegenheit "Zement versus Aluminium" ließ bis Stunden vor der Sitzung die Telefondrähte glühen. Letzte "Bombe": Die IHK Koblenz zog gestern überraschend ihren Auftrag für ein Sondergutachten zurück.

Wie berichtet, hatte sich die Kammer bemüht, über einen neutralen, anerkannten Sachverständigen die Frage klären zu lassen, ob der emittierte Zementstaub tatsächlich Auswirkungen auf die High- Tech- Produkte der Alu- Schmiede haben könnte. "Nachdem nun die Rechtsanwälte des Zementwerkes schriftlich die Zustimmung zum beabsichtigten Gutachten zurückgezogen und dem Gutachter das Betreten des Betriebsgeländes verweigert haben, ist die Grundlage für ein neutrales Gutachten der IHK entfallen", bedauerte IHK-Hauptgeschäftsführer Hans- Jürgen Podzun. Er unterstrich gleichzeitig: "Wir sind auch zukünftig bereit, eine Gesprächsplattform zu bieten."

Ein Angebot, auf das der Stadtrat nur allzu gerne eingehen möchte. Mehr noch: In der rund einstündigen Debatte wurde von allen Parteien deutlich der Wunsch geäußert, das IHK-Sondergutachten möge dennoch zustande kommen.

Denn genau darin sieht der Rat eine bislang nicht ausgeschöpfte Möglichkeit der "Einzelfallprüfung", wie die beiden Fraktionsvorsitzenden von SPD, Heribert Heinrich (MdL) und CDU, Michael Hörter (MdL) - trotz aller bereits von OB-Vorwahlkampf geprägten Verbalscharmützel - betonten. Mehrere Sprecher von CDU, SPD, FDP und Bündnisgrünen reklamierten Antworten auf eine Fülle von weiter offenen Fragen.

Für die Verwaltung wies OB Dr. Eberhard Schulte- Wissermann noch einmal darauf hin, dass der Antragsteller (Zementmahlwerk) zum einen einen Rechtsanspruch auf Entscheidung habe, zudem habe die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord die Stadt bekanntlich angewiesen, zu entscheiden.

Dagegen wogen die gesundheitlichen Belange der Nachbarn in Kesselheim und Niederwerth sowie die Existenzbedrohung für Corus für die CDU-Fraktion stärker. Es wäre daher "unverantwortlich, dieses letzte Faustpfand aus der Hand zu geben", so Michael Hörter.

Genau in diese Richtung zielte auch der Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion, die damit "Zeit gewinnen" wollte, wie Heribert Heinrich formulierte. Einstimmig, bei Enthaltung des Oberbürgermeisters, vertagte der Stadtrat schließlich die Entscheidung über die "Einziehung eines Teilbereiches der Fritz- Ludwig- Straße". Die Verwaltung wurde aufgefordert, die Einzelfallprüfung zu veranlassen. Dabei appellierte der Rat an alle Beteiligten, eine Lösung zu finden und gemeinsam zu tragen.

 

Kommentar
Nicht ins Bockshorn jagen lassen
Peter Burger zum Stadtrat

Wie man`s auch dreht: Die Sache ist so oder so verfahren. Der Koblenzer Stadtrat tat daher gut daran, sich in großer Geschlossenheit weder von juristischem Sektierertum noch von den Millionenklage- Drohungen der Zementwerk- Betreiber ins Bockshorn jagen zu lassen. Nur über den Weg eines von allen Seiten anerkannten neutralen Gutachters wird sich die Frage je klären lassen, ob 1250 Arbeitsplätze tatsächlich bedroht oder die Corus- Ängste völlig unbegründet sind. Die IHK wird zweifellos erneut bereit sein, das Sondergutachten in Auftrag zu geben - im Interesse des Wirtschaftsstandortes Koblenz. Das freilich setzt voraus, dass die Zementwerk- Betreiber eine solche Untersuchung auf eigenem Gelände zulassen. Verweigern sie sich, könnten sie leicht in Verdacht geraten, dass sie mit dem umstrittenen Zementmahlwerk in Koblenz ohnehin längst abgeschlossen haben und nur noch die Entschädigungsfrage in ihrem Sinne geregelt wissen wollen. Nachdem es ihnen diese Stadt so leicht macht. . .