Chronik des Bürgervereins


 

Chronik 1892 – 1992

100 Jahre Bürgerverein Kesselheim


Bericht der Rhein-Zeitung vom Samstag, den 28. März 1992

Bürgerverein Kesselheim wurde vor 100 Jahren zum Zwecke von Geselligkeit und Handel gegründet – „Einfachheit und Einigkeit“

„Menschen bilden die Kraft“
Mitglieder ließen beim Stiftungsfest die Historie Revue passieren- Jubiläumsabend im Mai

KESSELHEIM. Sein l00jähriges Bestehen feiert in diesem Jahr der Bürgerverein Kesselheim. Diese runde Zahl wird natürlich gebührend gewürdigt. Doch bevor dieser Geburtstag am Samstag. 9. Mai, beim Jubiläumsabend mit Tanz und Tombola im „Casino“ offiziell gefeiert wird, hatten sich die Mitglieder zum Stiftungsfest versammelt.

Vorsitzender Rainer Mohr ließ zu diesem Anlass die Geschichte des Vereins Revue passieren: Die Geburtsstunde des Bürgervereins war der 24. Januar 1892, um 16 Uhr versammelten sich 38 Kesselheimer Bürger aufgrund der Initiative von Ludwig Naunheim. Er hatte die Idee unter dem Motto „Einfachheit und Einigkeit“ den Bürgerverein zu gründen. Dabei nahm er das Konzept von Raiffeisen auf und über zeugte den Bauernverband zum Zusammenschluß der Kesselheimer zwecks gemeinsamen Einkaufs und Vermarktung von landwirtschaftlichen Waren. Die Versammlung endete mit dem positiven Ergebnis, den Bürgerverein mit einer Gründungsversammlung an Maria Lichtmeß am 2. Februar 1892 ins Leben zu rufen. Zum Präsidenten wurde Ludwig Naunheim gewählt, der dieses Amt 18 Jahre ausübte.

Aktives Vereinsleben

Das erste Protokollbuch zeigt, wie aktiv das Vereinleben war. Im Beckers Haus, direkt gegenüber an der Kirche, hatten die Gründer eine Gaststube eingerichtet, in der man sich jeden Sonntag trat. Ein Mitglied übernahm die Funktion des Kellermeisters. Den Wein bezog man in großen Mengen direkt beim Winzer.

Neben der Geselligkeit, die bis heute ein Hauptzweck des Bürgervereins ist, gedeihte der Handel mit landwirtschaftlichen Waren und an deren Bedarfsartikeln. Es wurden in großen Mengen Düngemittel und Pflanzensamen eingekauft und im Gegenzug für die Mitglieder zum Beispiel Kartoffeln verkauft. Auch der Kesselheimer Kohlenhandel lief über den Bürgerverein.

Ende 1893 waren bereits 1000 Mark erwirtschaftet. Die Mitglieder verlangten über die Versammlung zünftige Zusammenkünfte. Aufgrund der regen Aufnahme von neuen Mitgliedern wurden die Räumlichkeiten zu klein. Man war gezwungen, einen größeren Gastraum in der Bergpflege 1 einzurichten.

Nachdem man im Jahre 1905 die Festlichkeiten im heutigen Deutschen Haus abhielt und der Vermögensstand des Vereins immer besser wurde, diskutierten die Mitglieder über den Bau eines eigenen Vereinslokals. Am 10. Mai 1908 wurde der Grundstückskauf getätigt und am 8. Oktober 1908 die Einweihung des neuen Hauses auf dem heutigen Grundstück gefeiert.

1910 endete die erfolgreiche Präsidentschaft von Ludwig Naunheim, ihm folgte als würdiger Nachfolger Peter Raffauf der dieses Amt und den Bürgerverein 21 Jahre lang führte. Allerdings mit einer Unterbrechung von zwei Jahren, in der Stefan Schäfer Präsident des Bürgervereins war. Im Februar 1920 monierte die Versammlung den teueren Wein, man beschloß, den Bierausschank einzuführen.

Die vielen Versammlungen und Feiern, welche sich oft lange ausdehnten, veranlaßte zur folgenden Protokollniederschrift: „Nun eine Bitte an unseren Herrn Vorstand, die, daß er forthin die Versammlungen mit größerer Energie abhielte und zur bestimmten Stunde anfänge, damit dem Magen nicht so ein Heißhunger entstünde, denn damit wäre manchem Übelstande abgeholfen. Der Metzger würde nachts nicht gestört. unser Hauswirt könnte die Türe schließen, die Ehehälfte brauche nicht vergebens hinüberzufühlen und in Gedanken: Wo bleibt doch mein Mann? sich zu grämen. Also diesen allen wäre durch das eine abgeholfen“.

1927 wurde das erste Klavier an geschafft, von da an wurden die Verbindungen mit den anderen Vereinen intensiviert. Bis heute ist es Vereins- oder Probelokal für die Möhnen, die Kirmesgesellschaft. den Männergesangverein und den Kirchenchor. Im Jahre 1934 folgte Josef Hebel als Präsidentennachfolger von Raffaufs Peter. Auch dieser Präsident brachte es auf eine Amtszeit von 15 Jahren. Wobei Peter Raffauf dem Vorstand erhalten blieb und sogar nochmals für zwei Jahre die Vereinsführung übernahm.

Im Zweiten Weltkrieg beklagte man viele Tote, wegen der großen Not blieb das Casino von 1944 bis zum 15. April 1949 geschlossen. Im Winter 1949 wurde Ludwig Stein zum Präsidenten gewählt. In den 50ger Jahren ging es wieder aufwärts mit dem Verein. Im Oktober 1958 verstarb der Präsident. Dessen Nachfolger wurde der heutige Ehrenpräsident Peter Rafauf.

Neue Ära begann

Mit ihm begann eine neue Ära des Bürgervereins. Er setzte mit seinem Vorstand neue Akzente. Der Gastwirtschaftsbetrieb wurde ausgeweitet, und der Getränkeausschank durfte nach zähen Verhandlungen mit den Behörden nun an jedermann erfolgen. Die Zeit wurde kurzlebiger. jung und alt traf sich im Casino. Das Ökonomenpaar hatte mehr als genug zu tun.

1970 erbrachten Wahlen eine neue Vereinsführung: Willi Oberhardt und seine .Mannschaft gingen mit großem Elan ans Werk: eine neue Zentralheizung wurde im Haus installiert, neue Fenster in der Wohnung montiert, der Weinkeller für die Getränkelagerung ausgestattet.

Bei dieser Gelegenheit ging Mohr auf die Eigenleistungen in den 100 Jahren des Bürgervereins ein. „Was einzelne engagierte Mitglieder hier bis zum heutigen Tage geleistet haben, ist vielleicht nur an der hochwertigen Ausstattung des Hauses zusehen. Persönlichkeiten, die aktiv im Vereinsleben und hier in diesem Haus gearbeitet haben, bilden die Kraft des Vereins.“ Dazu zählt auch Christian Haas, der die Vereinsführung von 1974 bis 1978 mit Idealismus ausübte. Als Nachfolger über nahm Günter Arens das Amt. Mit seiner Mannschaft wurde wieder fleißig am Gebäude gearbeitet.13 Jahre dauerte die Ära von Günter Arens. Danach übernahm Rainer Mohr das Amt.

Das Casino ist seit jeher das klassische Versammlungslokal in Kesselheim, dort wurden lange Diskussionen wegen der Abgabe von Grundflächen fürs Koblenzer Industriegebiet geführt, es gab Debatten um das Für und Wider der Eingemeindung von Kesselheim. Oberbürgermeister, Abgeordnete und Ratsherrn hielten Bürgergespräche und die politischen Parteien ihre Versammlungen ab. ,,Der Bürger verein ist ein stabilisierender Faktor im Kesselheimer Vereins- und Gesellschaftsleben“, sagte Mohr.